Mein Problem mit dem Frau-Sein

Je nachdem, in welchem Umfeld ihr aufgewachsen seid, werdet ihr es kennen: Als Mädchen oder Frau wird einem weniger zugetraut, man wird weniger ernst genommen, man wird mehr behütet und dadurch daran gehindert, selbstständig zu werden. Ein jeder Teenager hat mit seiner Pubertät und dem Erwachsenwerden zu kämpfen, doch bei Mädchen sieht es oft ganz anders aus, als bei Jungen. Was nicht daran liegt, dass Männer und Frauen so extrem unterschiedlich sind, sondern viel mehr daran, dass Frauen anders behandelt werden als Männer. Von Geburt an, und wir reden hier nicht von der Frage, ob das Kinderzimmer blau oder rosa werden soll.

Es begann schon früh, mein Problem mit dem Frau-Sein.

Als es soweit war, um den Mopedführerschein zu machen, wollte ich unbedingt eine Supermotard fahren. Einem Roller konnte ich nichts abgewinnen. Doch Supermotard fahren nur Jungs. Das war zu der Zeit, in der ich an der Reihe war, ein großes Stück Freiheit zu gewinnen, noch ein richtiges Ding, wenn ein Mädchen auf so einer Maschine fuhr.

In meiner Fahrschule gab es nur ein einziges Supermotard und damit gab es ein Problem - sie ließ sich nicht richtig starten, sodass jedes Mal, wenn ich in meiner Unerfahrenheit den Motor abwürgte, der Fahrleher ran und sie anlaufen musste. Was ihm natürlich herzlich wenig gefiel.
Leider hatte mir niemand gesagt, dass man in den ersten Gang zurückschalten muss, wenn man nach einem Halt wieder anfahren möchte. (Ja, man kann mich jetzt für blöde halten, doch als 16-jähriges Mädchen hatte ich eben keine Ahnung von diesen Dingen, und ich bin auch heute noch der Meinung, dass solche Grundregeln erwähnt werden sollten, wenn man jemandem etwas beibringen möchte.)
So kam es, dass der Fahrlehrer nach ein paar Versuchen meinte, dass das nichts bringt und ich solle mich gefälligst auf einen Roller setzen. Deftig enttäuscht von mir, tat ich, wie geheißen, und verbrachte den Rest des Mopedkurses auf einem der Fahrzeuge, die ich nicht ausstehen konnte.

Das Schlimmste kommt aber jetzt: Nach dem Kurs holte mich meine Mutter ab und wurde in das Büro des Fahrlehrers bestellt, der ihr - jetzt kommt's - eindringlich davon abriet, mir eine Supermotard zu kaufen, weil ich nicht damit umgehen könne. Er meinte auch, dass er vermute, mein Vater hätte sich lieber einen Jungen gewünscht und würde nun darauf bestehen, dass ich eine Motocross fuhr. Ich weiß heute gar nicht mehr, was ich in diesem Moment als schlimmer empfand. Seine Aussage oder die Antwort meiner Mutter, dass mein Vater ganz sicher nichts damit zu tun hat, weil er der Ansicht ist, ein Mädchen gehöre auf einen Roller. Bam, das hat jedenfalls gesessen.

A girl is fighting for daddy's love - no matter what.

Bevor ich zum Ende dieser Geschichte um mein Supermotard komme, möchte ich in die Gegenwart springen und erläutern, dass sich im Verhältnis zu meinem Vater kaum etwas geändert hat. Nach wie vor versuche ich - eher unbewusst, denn mit Absicht - seine Anerkennung zu gewinnen, was mir nicht so richtig gelingen will.

Aktuell sind meine Eltern dabei, ein Haus zu beziehen, dass sie gekauft haben und welches noch renoviert gehört. Mein Mann und ich helfen tatkräftig dabei, weil wir eben eine Familie sind und wir der Ansicht sind, dass man sich in einer solchen gegenseitig unterstützen sollte.

Nun begab es sich aber, dass mein Vater während der Schlepperei im Zuge des Entsorgens der alten Möbel ständig Scherzchen in meine Richtung machte, von wegen ich solle halt nur ein Brett tragen, wenn es mir zu viel wird, und er sei die Arbeit ja gewöhnt und so weiter und so fort. Mit derartigen Witzeleien komme ich gut zurecht, weil ich es früh gelernt habe und mir ja keine andere Wahl bleibt, aber dann gab es ein Ereignis, nur ein paar Worte, die mich furchtbar verletzten und auch zornig machten.

Bekannte meiner Mutter kamen gerade am Haus vorbei, als wir mit dem Sperrmüll losfuhren, um ihn im Sammelzentrum loszuwerden. Mein Vater ließ das Fenster runter und der Mann fragte, ob mein Vater noch Hilfe gebrauchen könne. Und dieser sagte: "Nein, nein, ich hab doch schon eineinhalb Leute hier." Wow. Da klappte mir erstmal die Kinnlade hinunter. Nach einem ganzen Tag harter Schlepperei, bei der ich den Männern um kaum etwas nachstand und einfach mein Bestes gab, um die Arbeit schnell und gewissenhaft zu erledigen, war das ein ziemlicher Schlag unter die Gürtellinie - im wahrsten Sinne des Wortes.

Als wir weiterfuhren, meinte ich noch zu meinem Vater, dass ich das nicht schön fände, wenn er so über mich redet. Er hat wohl bemerkt, dass er mich gekränkt hat und wollte es wiedergutmachen, indem er scherzte, er hätte ja meinen Mann und nicht mich gemeint. Ich brauche sicher nicht zu erwähnen, dass dieser Kommentar nichts besser machte

Ich meine, da sind zwei Leute, die einem bei einer richtig blöden, anstrengenden Arbeit helfen - und nebenbei bemerkt die einzigen Leute sind, die mithelfen - und ich weiß nichts besseres zu tun, als gemeine Sticheleien zum Besten zu geben? Versteht mich nicht falsch, ich liebe meinen Vater, aber manchmal bin ich schlichtweg so sauer auf ihn, dass ich es nicht in Worte fassen kann.

Zurück in die Vergangenheit

Ich kann den mitfühlenden Leser nun beruhigen. Ich bekam trotz der dummen Bemerkung des Fahrlehrers schließlich mein Supermotard und hätte das Teil nicht mehr lieben können, als ich es getan habe. Ein Stück Freiheit, Selbstständigkeit, Nervenkitzel, Abenteuer. Ich war richtig verknallt in die Maschine, die ich Honey taufte, und mit der ich einige Kilometer zurücklegte und so einige Stürze erlebte, bei denen ich mir meist mehr Sorgen um das Motorrad als um meine eigenen Verletzungen gemacht habe.

Darüber hinaus bekam ich zwei Jahre später die Gelegenheit, mich mit dem Fahrlehrer auszusöhnen, den ich mit 16 Jahren als ziemlich hochnäsiges, frauenfeindliches Arschloch empfand.
Ich hatte das Vergnügen, ihn als Fahrlehrer fürs Auto zu haben UND für das Motorrad. Und Herrgott, hat mich der Kerl dazu gebracht, meine Meinung über ihn zu ändern. Er hätte wirklich nicht cooler sein können. Schon beim Autofahren ließ er mich sofort ans Steuer und gab mir die Sicherheit, die ich brauchte. Er schenkte mir sein Vertrauen, was ich nach unserer ersten Begegnung nicht erwartet hätte, und machte mich zu einer sehr guten Auto- und Motorradfahrerin. Unsere Ausflüge mit den Motorrädern werden mir wohl immer im Gedächtnis bleiben, denn auch hier war von abwertendem Verhalten seinerseits nichts mehr zu spüren. Ich muss wohl irgendetwas ausgestrahlt haben, dass ihn wissen ließ, dass ich mich nicht unterkriegen lasse. Ich habe entgegen aller Ratschläge die erste Freiheit als Teenager auf einer Motocross anstatt einem Roller verbracht, und dann auch noch den Motorradschein gemacht. So sehr mich mein Frau-Sein manchmal nervt, so wenig denke ich daran, wenn ich auf meiner Maschine sitze und einfach ein Mensch bin, der die Geschwindigkeit und den Fahrtwind genießt ...

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